Pierre Bost: Bankrott

Gute Unternehmerromane zeichnen sich dadurch aus, dass sie beides tun: die Strukturen der Machtapparate ausleuchten; und Charakterstudien liefern. Der französische Autor Pierre Bost (1901-1975), in den zwanziger bis vierziger Jahren äußerst erfolgreicher Autor und Journalist und glücklicherweise gerade wiederzuentdecken, verzaubert überdies noch mit seiner Sprache. Sie klingt auch in der deutschen Übertragung von Rainer Moritz prächtig – nach „Ein Sonntag auf dem Lande“ jetzt in dem Roman „Bankrott“, der 1928 erstmals erschien. Erzählt wird vom Leben des Zuckerfabrikanten Brugnon, ein linkischer, cholerischer 45-Jähriger mit allerlei Marotten und einer ausgesprochenen Neigung zur Grübelei. Oft mit scharfzüngiger Prägnanz und Komik von außen geschildert, lässt er sich betrachten und als Teil eines Systems analysieren, das nur die Starken durchwinkt. Das, was wir heute Burnout nennen würden, zeichnet sich bereits auf der ersten Seite ab: „Der einzige Traum, den er sich eines Tages erfüllen wollte, bestand darin, jeden Morgen an die Arbeit zu gehen, sich eine Pause von einer Stunde zu gönnen, danach weiterzuarbeiten und schließlich sehr spät am Abend damit aufzuhören.“ Zunächst läuft es gut für ihn. Er genießt die Macht und Sitzungen, in denen er die Macht spürt: „Er fühlte sie ganz genau, so wie man seinen Brustkorb spürt, wenn man seine Weste zuknöpft.“ Doch die Liebe verwirrt bald schon seinen klaren Blick. Er verpasst Termine, wird fahrig und zunehmend Opfer seiner Gefühlswelt. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis alles in düsterster Apokalypsenstimmung endet. In den Worten Pierre Bosts: „Und der Fluss trieb wie ein Ertrunkener langsam auf ein grauenerregendes Meer zu.“ Anziehend ist diese Prosa, weil sie die emsige Betriebsamkeit einer typischen Arbeitswelt der zwanziger Jahre einfängt, die nicht zuletzt einen neuen Frauentypus hervorgebracht hat – hier verkörpert durch Simone. Brugnon darf sie wohl ins Theater begleiten, mehr aber nicht. Das neue Selbstbewusstsein schlägt ihm hart entgegen. Zugleich wirkt der Roman in seiner expressiven Sprache und den vielen Überforderungsszenen überraschend modern, was ihn zu einer ausgesprochen heutigen Lektüre macht.

Pierre Bost: Bankrott. (Original: Faillite) Roman. Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Rainer Moritz. Dörlemann Verlag, Berlin 2015. 260 Seiten, 19,90 €.

erschienen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, 2015